Kochpraktikum Rostock: Dienstag, 21.05.2024 // Dienstbeginn
- Sven Götz

- 22. Mai 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Mai 2024
Die Zeit bis 14:30 Uhr und damit Arbeitsbeginn wird für diese Woche meine Freizeit sein. Also fahre ich in die Stadt, um noch einige Besorgungen zu machen. Keine Ahnung wie sich meine freiheitsliebenden Füße heute Abend nach 7 Stunden in den neuen Sportschuhen fühlen werden. Aus Erfahrung lege ich mich jedoch nicht mit meinen durchaus druckempfindlichen Fersen an und kaufe im DM ein Hansaplast Classic Fixierpflaster, um Blasen zu vermeiden.
Bei der zweiten Besorgung, hab' ich keine Ahnung, wie ich dieses Utensil auf meiner Packliste vergessen konnte: ich brauche noch einen Küchenschurz, denn ich koche nie ohne! In der Kombüse werde ich einen gestellt bekommen, aber ich möchte auch in meiner eigenen Küche nach Herzenslust mit Fett spritzen ohne mein T-Shirt zu gefährden, das Küchentuch festmachen und bei jeder Gelegenheit meine schmutzigen Finger an mir selbst abreiben (sorry, das klingt jetzt etwas anzüglich, bezieht sich aber nur auf die Kochabläufe). Was soll ich sagen: da brauchen sich die Einzelhändler nicht wundern, wenn ich doch wieder bei Amazon schwach werde. In der ganzen Stadt ließ sich kein Schurz auftreiben und die riesige Auswahl von genau einem Modell in der Kaufhof Galerie gefiel mir einfach nicht (und das Auge kocht ja schließlich auch mit). Ok, denke ich mir, vielleicht war das ja auch ein Wink mit dem Zahnpfahl des Schicksals. Wenn ich ein kleiner Chef de Cuisine werden will und später auch Interessierte in Kochkursen anleite, dann brauche ich ein gebrandedes Outfit - gedacht, getan, bestellt:

Ui, jetzt wird auch schon Zeit. Möchte etwas früher los und euch an meinem Anfahrtsweg teilhaben lassen:
In meiner ersten Firma ist uns das manchmal auch passiert: Waaas der Praktikant kommt schon heute? Ich schließe mein Rad ab und betrete die Grüne Kombüse. Dietlind, eine der drei aus dem Kombüsen-Team, fragt mich, ob ich einen Kaffee möchte. Trotz T-Shirt und kurzer Hose bin ich auf'm Rad etwas ins transpirieren gekommen, also nee, Kaffee lehne ich dankend ab und sag' stattdessen voller Stolz: Ich bin Sven, euer neuer Praktikant - und dann eben dieser Ausdruck der Überraschung. Kein Ding, Heiner und Josef kommen in dem Moment aus der Küche und wissen Bescheid - war nur ein kleines Kommunikationsmissverständnis.
Ich ziehe mich um: Kochjacke (Danke, Markus, für's Ausleihen! Man fühlt sich darin schon wesentlich kompetenter), lange Hose (das überdenke ich morgen noch mal), Schürze und eben feste Schuhe. Und dann geht's gleich mit dem Klassiker in der Küche los: Kartoffelschälen.

Um meine Schälskills noch weiter auszubauen folgenden später auch noch eine Kiste Karotten und Zwiebeln. Ich mag das, zum einen ist's ein wichtiger, wenn auch einfacher Job (wer möchte schon Zwiebeln mit Schalen) zum anderen kann ich mich wunderbar in diese einfache Tätigkeit fallen lassen und abschalten - tut gut.

Es sind häufig die einfachen Dinge, die den meisten Anklang beiden Menschen finden. Und ich glaube die Rosmarinkartoffeln gehören definitiv dazu. Josef bestätigt, dass neben Nudeln auch die Kartoffeln und, insbesondere die mit Rosmarin verfeinerten, immer wiederkehrenden Komponenten in den Gerichten sind. Tatsächlich braucht es neben einer guten Kartoffel (wer es etwas rustikaler mag, lässt die Schale dran) nur noch Salz, Olivenöl, Knoblauch und natürlich Rosmarin, um am Tisch zu begeistern.
Die Marinade für die Portobello-Steaks ist einfach, sie müssen nur nach Rezept im Mixer püriert und die Pilze darin sanft massiert werden. Die Frage von Josef, ob ich schon mal vegane Mayonnaise gemacht habe, klingt eher nach einer Herausforderung. Jede*r der das schon mal selbst probiert hat weiß, dass die Masse manchmal aus, welchen Gründen auch immer, einfach nicht fest werden will. Er stellt mir Sojamilch, Rapsöl, Essig, Salz und Pfeffer auf die Arbeitsplatte und sagt: "Mach mal, egal wie's wird..." Als wäre es eine Prüfung in der üblicherweise keine Hilfsmittel erlaubt sind, frage ich, ob ich googlen darf. 10 Minuten später und mit etwas Hilfe der Küchengötter (aus dem Internet) hab' ich meine erste vegane Mayo gemacht und bin ein kleines bisschen stolz darauf:

Heute ist nicht wirklich viel los. Es gibt nur zwei Reservierungen und wenige sonstiges Gäste. Was mir natürlich zugute kommt, weil die Bestellzettel nicht im Minutentakt reinflattern und Josef somit mehr Zeit für mich hat. Wir nutzen diese und er erklärt mich das anrichten der drei Vorspeisen, die sie aktuell auf der Karten anbieten:
Karotten"lachs" auf Meerrettichcreme zu Rote Beete-Dillwürfeln
Rohkostbrot mit Artischockencreme, getrockneten Tomaten und Salat
Nusscremebällchen in Gewürzblütenmantel auf Salat
Und ja, neben den meditativen Schälübungen, kreativem Rezepte ausprobieren und Vorspeisenteller anrichten, fällt auch viel Spülarbeit an. Alles in allem ein gute Mix und lässt das Gespür für Zeit verfliegen.
Was habe ich heute gelernt:
Rosmarinkartoffeln gehen immer
Mayo ist nicht so heikel, wie ich dachte
Für's Waschen von Kartoffeln kann man extra Handschuhe verwenden
Die Gastronormbehälter sind in einem rechnerischen Verhältnis zu einander stehen
Es steht in keinem Verhältnis, welche Freue ein Koch den Menschen schenken kann, 8 Stunden zu unattraktiven Tages- und Wochenzeiten körperlich arbeitet und schwitzt und in Mecklenburg-Vorpommern dafür ca. 1.650-2.100 € brutto bekommt
Bin dankbar, dass ich kein Abendessen mehr kochen muss und Josef mir ein kleines Doggybag in einer Rebowl als kleines Dankeschön mitgibt.
Dieser gelungene erste Tag wird auf der Heimfahrt dann noch mit einem grandiosen Licht über der Warnowmündung belohnt:
















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